Montag, 2. Juli 2012

Ein Lob auf die Eisenbahn

Da ich im Juni Besuch von meinem guten Freund Dominik aus Deutschland bekommen habe, nutzte ich diese Zeit,um meine letzten zwei Wochen Urlaub aufzubrauchen.


Während Hergen in Dar Es Salaam mit der Organisation des Renewable Energy Days (siehe "Erneuerbare Energien Tag") beschäftigt ist, machen wir uns auf 18-stündiger Busfahrt nach Mbeya im Süden Tansanias auf, von wo es dann mit dem Zug auf der einzigen regelmäßig operierenden Bahnlinie des Landes nach Dar es Salaam weiter gehen soll. Dazwischen liegen drei Tage am Lake Malawi, dessen nordöstliches Ufer sich in Tansania befindet.
Sonnenaufgang am Lake Malawi
Nach teils sehr stürmischen aber trotzdem insgesamt schönen Tagen an der Norspitze des Sees machen wir uns früh morgens zum Bahnhof nach Mbeya auf, von wo um 14 Uhr der Zug fahren soll.

Der See am nächsten Tag
Die Strecke ist etwas mehr als 800 Kilometer lang, und soll in 24 Stunden zurückgelegt werden, auf Grund vieler Zwischenstopps also kein besonders hohes Tempo. Im Gegensatz zu den anderen zentral und nördlich verlaufenden Bahnlinien des Landes stammt die von Sambia über Mbeya nach Dar es Salaam führende jedoch nicht aus deutscher Kolonialzeit, sondern wurde in den siebziger Jahren von China finanziert. Während die deutschen Strecken noch mit Schmalspur gebaut wurden (1 Meter Spurbreite), verkehrt der chinesische Zug auf Normalspur (ca. 1,40 Meter Breite) und kann damit verhältnissmäßig schnell fahren.


Am Bahnhof angekommen bekommen wir ohne Probleme Fahrkarten für die erste Klasse, Schlafabteil für umgerechnet 18€. Bis zur Abfahrt sind es noch etwa drei Stunden, also keine besonders lange Wartezeit.


Um Punkt 14 Uhr fährt tatsächlich ein Zug ein, kurz darauf werden wir auf den Bahnsteig gelassen, was uns doch sehr verwundert, da im Reiseführer vor regelmäßigen starken Verspätungen gewarnt wird.
Einige Minuten später stellt sich jedoch heraus, dass es sich um den Zug von Dar nach Sambia handelt und es geht wieder zurück ins Bahnhofsgebäude, wo die Ungewissheit beginnt.


Uns wird gesagt, der Zug stehe direkt vor Mbeya und müsse bald da sein. Irgendwann heißt es dann, es gebe ein technisches Problem und es könne noch ein bisschen dauern, aber tatsächlich fährt gegen 18 Uhr unser Zug ein. Unser Wagon hängt jedoch leider nicht dran...


Zufällig treffen wir einige Deutsche, die schon seit Sambia unterwegs sind. Sie erzählen uns, unser Wagon sei einige Kilometer vor Mbeya entgleist, was mich doch etwas in Erstaunen versetzt. Im ersten Moment klingt eine Zugentgleisung durchaus gefährlich, vor allem für die Mitarbeiter der Eisenbahn und viele andere Fahrgäste scheint darin jedoch nichts besonderes zu liegen.


Also geht es wieder zurück in den Bahnhof, wo es schon spürbar leerer geworden ist. Irgendwann kommen die Deutschen, mit denen wir zuvor gesprochen hatten, samt Gepäck vorbei. Sie wollen nicht mehr warten und sehen die Verspätung als gute Möglichkeit am nächsten Morgen mit dem doppelt so schnellen Bus weiterzufahren und sich abends noch Deutschland - Holland anzuschauen, was wir leider per Life-Ticker verfolgen müssen.
Einer der Bahnmitarbeiter erzählt uns, die Arbeiten am Zug seien eigentlich kein großer Aufwand, unser Wagon müsse im Grunde nur wieder auf die Gleise gesetzt werden. Sie hätten sich jedoch verzögert, denn die Gleisarbeiter hätten sich zunächst nicht darum kümmern wollen, da es schon zu spät sei.Vielleicht lässt sich das aber auch so deuten, dass sie durch Diskussionen den Beginn ihrer Arbeit extra herauszögern wollten, um hohe Nachtschichtbezüge zu erhalten, man weiß ja nie....


Zumindest kommt gegen zwölf Uhr nachts tatsächlich unser Wagon an und, nachdem er gewendet worden ist, kann es um halb eins mit mehr als 10 Stunden Verspätung endlich los gehen!


Der Zug in die Gegenrichtung steht zu diesem Zeitpunkt übrigens immer noch am Steig und wir bekommen mit, dass dieser auf Grund von Reperaturen am kaputten Gleis erst zwei Tage später weiterfahren können wird, insofern hatten wir also noch Glück!


Im Zug selbst haben wir nur einen weiteren Fahrgast im Abteil, mit dem wir uns am nächsten Morgen nach ruhiger Nacht auch schnell anfreunden. Zunächst ist die Fahrt ruhig und der Zug fährt auf Grund der kurvigen Strecke nicht mehr als etwa 40 km/h, ein angenehmes Reisetempo. Gegen Mittag wird die Strecke jedoch plötzlich etwas gerader und dadurch geht es auch schneller. Die Folge davon ist unerwartet und erinnert stark ans tansanische Busfahrten: Durch die hohe Geschwindigkeit (geschätzte 100 km/h) ist die Strecke an einigen Stellen nämlich schon sehr ausgefahren und der Zug ist die ganze Zeit am wippen und schaukeln. An lesen oder laufen ist also nicht mehr zu denken und wem beim Reisen leicht schlecht wird, dem ist diese Fahrt auch nicht zu empfehlen. Und während diesem Abschnitt der Fahrt erscheint es auch gar nicht mehr so unwahrscheinlich, dass ein Wagon einfach mal aus der Spur springt..


Trotzdem ist die Zugfahrt sehr schön, nicht nur weil Zug fahren generell meist angenehmer als mit dem Bus ist, sondern auch weil wieder mal tolle Ausblicke in die Natur Tansanias ermöglicht werden.


Ohne weitere Verspätungen kommen wir nachts um halb eins in Dar es Salaam an, wo uns unser freundlicher Mitfahrer noch bis zum Haus der DTP-Freiwilligen dort fährt.


Obwohl die Fahrt ein tolles Erlebnis und kleines Abenteuer war, zeigte sie doch auch viele Probleme des Landes auf. Die teilweise durch das egoistische Verhalten der Bahnmitarbeiter hervorgerufene Verspätung und die dem Verfall preisgegebene Strecke sind nämlich keine Einzelphänomene.


Die Zugfahrt für mich als Reisender immer noch die erste Wahl, aber ich verstehe es trotzdem sehr gut, wenn viele Tansanier lieber mit den gefährlichen Bussen reisen, als solche Verspätungen und unverhältnissmäßige Fahrzeiten in Kauf zu nehmen.